Eine magische Welt voller Geheimnissen und Gefahren!
Im Lande Araga - die Bürde des Schicksals Der letzte Gang der Elfen „Auf der ganzen Welt ist nun niemand mehr wach, außer dir und mir“, erklang die wohlklingende, vertrauensweckende Stimme. Olivia erhaschte den Blick auf die Konturen eines Mannes. Er stopfte sich seine Pfeife. Sein Gesicht war geprägt von den Lachfalten um Mund und Augen und von der zerfurchten Stirn, die zeigte, dass er viel grübelte. Das volle schwarze Haar fiel in den Nacken und ein gepflegter, kurz gehaltener Bart bedeckte sein schönes, beinahe makelloses Gesicht. Sie saßen in einer gemütlichen, kleinen Stube. Das Feuer im Kamin war bereits heruntergebrannt. „Lass mich dir eine Geschichte erzählen.“ Der Mann schaute sie erwartungsvoll an und Olivia merkte, dass sie nickte. Er trat an ein kleines Fenster, das in sechs noch kleinere Quadrate unterteilt war. Die Zeit verstrich und Olivia wartete geduldig. Die Nacht neigte sich der Morgendämmerung und in den Fenstern fing sich golden- rötliches Licht, das von außen hereinfiel. Da hörte Olivia es: Das Rumpeln von Rädern, ein leichtes Knarzen; eben jene Geräusche, die viele Wagen machten, die sich ihren Weg über einfache Pfade suchen und Olivia stürzte neugierig zu dem Fenster, während die hellen Glocken und der Gesang sie erreichten - eine betörende Melodie, voller Melancholie. Es war ein Lied, das Olivia in ihren Bann zog, wie eine Beschwörung, die Geister weckt. Wie ein neugieriges Kind lugte sie aus dem Fenster. Im Morgengrauen bewegten sich Elfen in anmutiger Eleganz durch den nebligen Wald auf die kleine Stube zu. Ihr trauriger Gesang erfüllte die Luft. Ihre Wagen waren aus hellem Holz gefertigt, mit geschwungenen Ornamenten und mit silbernen, filigranen, sich überlappenden Elfenrunen bemalt. Die meisten Gesichter der Elfen waren mit weißen oder silbernen, teilweise auch goldenen Masken bedeckt, die sie merkwürdig leblos erscheinen ließen. Stolz und hochgewachsen schritten sie langsam und bedächtig aus. Ihre Kleidung bestand aus vielgestaltigen, fein gewebten Stoffen. Olivia entdeckte Wolle, Leinen, Rohleder und Seide, die in Pastelltönen eingefärbt waren. Es gab verschiedene Grüntöne, Rot- und Brauntöne sowie Blautöne, in vielerlei Abstufungen, bei den Überwürfen, Stulpen und verzierten Gürteltaschen. Aufwendige Borten waren an den Gewändern aufgenäht. Gleichmäßig schritten die Elfen in Gruppen, die in einheitlichen Farben gekleidet waren, an ihr vorbei. Es war eine ehrwürdige Prozession, mit Lichtern und Leuchtern, geheimnisvoll und wehmütig. Die entfernten Lichter, die bereits durch den Nebel drangen, sahen aus wie Sterne, die sich auf den Weg an einen neuen Ort machten; wie Irrlichter in der Nacht. Die Musik gewann an Intensität, und Olivia spürte einen Sog, der sie ebenfalls ganz unruhig und schwermütig werden ließ. Sie betrachtete die wunderschönen Gestalten. Unter ihnen waren Hochelfen, die mit bodenlangen Schuppenmänteln auf schweren Pferden ritten, in deren Mähnen aufwendige Zöpfe geflochten waren. Die Ausrüstung dieser Elfen war außergewöhnlich hochwertig und elegant und strahlte eine deutliche Fremdartigkeit aus. Gegürtet waren sie mit zierlichen Kurzschwertern und langen Dolchen, in die reiche Runen eingraviert waren. Außerdem sah Olivia kunstvolle Langschwerter, Säbel und Speere. Einige wenige Elfen trugen Standarten mit Wappen vor sich, die mit mächtigen Symbolen bestickt waren. Besonders einprägsam fand Olivia eine weiße Flamme auf grünem Grund, umgeben von fein geschwungenen Lilien. Neben den Hochelfen schritten die Waldelfen zu Fuß in grünen und gedeckten braunen Farben, die so auch in der Natur vorkamen und deren Kleidung derart geschnitten waren, dass sie ihnen langes und schnelles Laufen ermöglichten. Manches an ihren Gewändern, eine gewisse Abnutzung zeigte, dass sie ihre Kleidung auf ihren Wegen durch die Wälder schon lange trugen. Die meisten Elfen dieser Gruppe trugen lange Bögen über den Rücken. Bei den Waldelfen gab es schlichte, geflochtene Lederbänder mit Perlen an den Armen oder der Stirn. Ein großer Baum auf grünem Grund wurde als Wappen geführt und Olivia verlor sich in der filigranen Zeichnung der einzelnen Verästelungen des Baumes. Dann kam eine Kutsche, gezogen von zwei Schimmeln, die leuchtend weißes Fell besaßen und deren Mähne in zahlreichen dünn geflochtenen Zöpfen zur Seite fielen. Aufrecht saß dort eine Elfe mit einem kunstvoll gearbeiteten Diadem, in dem grüne Edelsteine funkelten wie Katzenaugen in der Nacht. Die Elfe fesselte Olivias Blick. Sie war eine der wenigen, die keine Maske trug und so anmutig und zauberhaft einsam wie eine Prinzessin. Plötzlich schaute sie zu ihr hinüber und ihre Lippen bewegten sich lautlos. Sie winkte ihr zu und Olivia konnte nicht anders als der Aufforderung zu folgen und aus der niedrigen Tür der Stube, unter der sie den Kopf einziehen musste, hinauszutreten in den nebligen, sonnendurchstrahlten Wald, der ein Geheimnis barg, das mit den Elfen zu tun hatte. Diese elegante Elfe hatte braunes, langes Haar, das ihr weich über die Schultern fiel, aus dem spitze Ohren hervorschauten. Ihr Blick hatte etwas Katzenhaftes und ihr Gesicht war perfekt symmetrisch und ohne jeden Makel. In ihrer Kutsche klopfte sie auf den Sitz neben sich und mit einem Ruck hielt die ganze Prozession an. Ehrfürchtig und ein wenig verlegen hastete Olivia zu ihr, um den Gang der Elfen nicht weiter aufzuhalten und wurde von einem hochgewachsenen Krieger, der dafür seinen langen silbernen Speer zur Seite stellte, in die Kutsche gehoben. Dann ging die Fahrt weiter. Olivia saß neben der Elfenkönigin denn sie war sich sicher, dass es sich um eine Königin handelte - als sei es das Natürlichste der Welt. „Weißt du, warum die meisten Elfen Masken tragen?“, fragte die Elfe sie mit einer so melodischen Stimme, dass Olivia das Herz stockte. Außerstande zu antworten, schüttelte sie bloß den Kopf. „Weil sie den Schmerz nicht ertragen können, die Lande Aragas zu verlassen. Sie wollen ihr Antlitz und ihre hoffnungsvolle Furcht vor der Welt verbergen, wenn wir hinausgleiten auf die Furten unserer Vorfahren.“ Die Elfe schaute sie traurig an. „Du wirst uns bei dieser Reise begleiten, nicht wahr?“ Olivia konnte erneut nicht sprechen und wusste nichts anderes zu tun, als zu nicken. Die Zeit wurde bedeutungslos, während ihre Kutsche dahinrumpelte und die Lieder sie umwehten, wie eine warme Brise im Frühling. Irgendwann, nach Pras oder auch ganzen Umläufen, kamen sie an der Bucht eines Flusses an, an dem wunderschön geformte Boote und Schiffe lagen, mit geschwungenem Bug und weißen Segeln. Olivia wusste selbst nicht mehr, wie es geschah, aber sie saß in einem dieser Boote zwischen all den Elfen und segelte auf dem Fluss, der so breit war, dass sie die Ufer im fernen Nebel nicht mehr erblicken konnte. Sie segelten friedlich, während der Draga erwachte und sie durch den Nebel fuhren. Gemächlich glitten sie dahin, bis sie ein seltsamer Sog ergriff. Der Nebel verschwand langsam und enthüllte nasse, tropfende Wälder, die im Sonnenlicht glänzten. Im Laufe der kommenden Pras, die Olivia nur an den vorbeigleitenden Wäldern messen konnte, beschleunigte sich der Sog immer mehr, und sie schossen mit immer größerer Geschwindigkeit dahin. Olivia erblickte in noch weiter Ferne vor ihnen einen schäumenden Ring, der wie ein Kreisel um die Mitte rotierte. Das umliegende Wasser wirkte rastlos. Der Schaum, der am Rand tanzte wie ein ausgelassenes Kind, zeigte, welche Kraft der Sog in sich barg. Je näher sie kamen, desto mehr konnte Olivia von dem riesigen Schlund erkennen, der immer tiefer und größer zu werden schien. Über dem Strudel schwebten schimmernde Gischtschwaden, wie Möwen über einem Schwarm Fische. Aus der Tiefe stieg ein knurrendes, gequältes Heulen auf, das klang wie ein Wolf mit gesträubtem Fell, der seine Zähne bleckte. Nervös vergegenwärtigte Olivia sich der Lage. Sie waren nicht mehr weit entfernt vom Mahlstrom und dieser bildete einen gewaltigen Trichter, den tiefe Furchen durchzogen, wie die Rinde eines sehr alten Geisterbaums. Die Strömung wurde stärker denn je und riss die Boote in halsbrecherischem Tempo mit, als handelte es sich dabei um einen Gerlach, der sie mit seinen Fängen unter die Erde ziehen wollte. Das Heulen wurde lauter und lauter und es schien, als müsse die ganze Welt unter der starken Erschütterung zerspringen. Es wurde immer unwahrscheinlicher, dem Sog zu entkommen. Entsetzt blickte Olivia zu der Elfe mit dem kunstvollen Diadem, die sie auf das Boot gelockt hatte. Doch diese schüttelte nur traurig den Kopf. „So werden wir Elfen von der Oberfläche Aragas verschwinden. Nur unsere dunklen Verwandten, die Alben, bleiben zurück“, sprach sie getragen. Sie beugte sich schicksalsergeben zu den Schwaden an Gischt, die ihnen bereits entgegenspritzten und zum Schlund, in dem die ersten Schiffe versanken. „Wir vertrauen uns dem Element unserer Götter Hordés und Odile an. Hordés schuf uns aus einer Träne und mit Tränen in den Augen segeln wir einer neuen Zukunft entgegen. Auf dass uns das Wasser schützen oder vernichten wird.“ „Das könnt ihr nicht tun!“, rief Olivia fassungslos aus. „Das Land braucht euch mehr denn je! Was ist mit all den Menschen, die auf eure Hilfe angewiesen sind?“, sie wollte nach dem Arm der Elfe greifen. Doch diese entwand sich ihrem Griff und schaute sie streng und zornig an, sodass Olivia zusammenzuckte, als hätte die Elfe sie geschlagen. „Du hast kein recht uns aufzuhalten.“ Die Stimme der Elfe war scharf und hatte jede Gutmütigkeit verloren. „Warum tut ihr das?“, fragte Olivia hilflos, doch darauf bekam sie keine Antwort. Stattdessen warf ihr die Elfe einen bedeutungsschweren Blick zu, der ihre kühle Reserviertheit kaum noch zu halten vermochte. Olivia erkannte ihre Angst. Nun war ihr Boot auf der rotierenden Scheibe angekommen und drehte sich immer schneller im Kreis, ehe sie hinabgerissen wurden. Olivia wurde schwindelig. Das Holz des Bootes knarzte unheilvoll, als die Kräfte es zu zerreißen drohten. Ein gepeinigtes Kreischen erklang. Entlang der Reling entstanden Risse, Wasser drang ein und Wellen umspülten ihre Beine. Der Sog riss Olivia von den Füßen und sie wurde übers Deck gespült. Die Strömung spielte mit ihr. Sie war so willenlos, wie ein Blatt im Sturm. Olivia konnte nichts tun, um ihrem Schicksal zu entkommen und Panik bemächtigte sich ihrer. Ihre Brust wurde eng und ein krampfartiger, dicker Klumpen bildete sich in ihrem Magen. Dann schlug die erste Welle über Olivia zusammen, alles wirbelte durcheinander. Sie wollte schreien. Aber sie konnte nicht, nur Blasen kamen aus ihrem Mund und tanzten um ihren Kopf. Tiefer und tiefer wurde sie hinabgezogen. Das Licht der Oberfläche schien unendlich fern. Ihre Lungen kreischten und verlangten nach Luft. Olivia öffnete den Mund, doch statt Luft füllte Wasser ihre Lungen. Neugierig geworden?
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